Anikas Welt in Text & Bild

Monat: September 2020

Language Learning Hacks, Part I:
Wie ich Fremdsprachen in meinen Alltag integriere

„Ach, wie schön wäre es, wenn ich endlich [füge Fremdsprache ein] sprechen könnte.“ Nicht wenige Menschen träumen davon, eine neue Fremdsprache zu erlernen. Nicht selten bleibt es beim Träumen, denn nachdem die anfängliche Euphorie der nicht ganz so romantischen Realität weicht, merken viele: Sprachen zu lernen macht richtig Arbeit. Anfangs ist die Begeisterung noch groß, die Anmeldung für einen Sprachkurs unkompliziert und praktisch. Sich aufzuraffen und zum Kurs zu gehen, ist für den inneren Schweinehund wesentlich einfacher umsetzbar, als sich aus freien Stücken, sprich aus intrinsischer Motivation, zum Lernen zu bewegen. Ausgerechnet während des Corona-Lockdowns witterten viele Menschen ein Zeitfenster, das es ihnen erlaubte, sich an eine neue Sprache heranzutasten. Ausnahmsweise war endlich mal genügend Zeit verfügbar, die sonst nicht da ist (Ja, wo ist sie nur?). Genügend Ressourcen bietet das Internet zuhauf und auch Sprach-Apps werden immer zahlreicher. Doch was funktioniert wirklich? Und vor allem dauerhaft?

Aus Erfahrung weiß ich mittlerweile, dass Sprachen nur lebendig bleiben, wenn sie regelmäßig im Alltag eine Rolle spielen. Einige Sprachen habe ich jahrelang gelernt, aber nach gewisser Zeit wieder „abgebrochen“, weil sich die Lebensumstände oder die Interessen verändert haben. Sprachen, die ich über mehrere Jahre fleißig gepaukt habe, sind heute allenfalls rudimentär abrufbar. Latein, Spanisch, Russisch, Chinesisch. Wir hatten eine gute Zeit, aber ich habe mich nicht ausreichend um euch gekümmert – sorry.

Irgendwann entschied ich, dass es so nicht weitergehen kann. Ich liebe Sprachen. Wirklich etwas mit ihnen anfangen – das heißt, mich unterhalten, Bücher und Artikel lesen, Filme und Serien schauen, mich natürlich in einer Fremdsprache bewegen und frei ausdrücken können – kann ich aber nur, wenn ich endlich konsequent am Lernen dranbleibe.

Um die Begeisterung beizubehalten, spielen für mich rationale Gründe maximal eine Nebenrolle. Zum Beispiel haben Chinesisch, Spanisch und Russisch weltweit wahnsinnig viele Sprecher/innen. Aber das hat mich emotional nie so richtig überzeugt. Ich wollte viel lieber die Sprachen lernen, die mir automatisch immer wieder begegneten: Italienisch, weil ich gern nach Italien reise, Neapel als meine zweite Heimat empfinde und italienische Literatur mag.

Und Koreanisch, weil ich leidenschaftlich gern koreanische Serien schaue sowie der Musik von BTS (siehe Bild, Eingeweihte werden es verstehen 😉 ) und Epik High verfallen bin. Das könnte auch bei der Wahl einer neuen Fremdsprache hilfreich sein: Leidenschaft kann auf Dauer viel ausschlaggebender sein als rein praktische Erwägungen wie zum Beispiel die Anzahl der weltweiten Sprecher/innen. Aber die Motivationen können natürlich so unterschiedlich sein wie die Menschen.


Tandempartner/innen, die deine Lernsprache muttersprachlich können, sind Gold wert. Aber nicht immer hat man für regelmäßige Treffen Zeit und/oder findet unkompliziert Muttersprachler/innen in der eigenen Stadt. Außerdem kann es mehrere Anläufe dauern, bis man jemanden findet, mit dem über den Sprachaustausch hinaus auch die Interessen-Chemie passt. Auch unabhängig von anderen Menschen ist es wahnsinnig wertvoll, die Fremdsprache im Alltag präsent zu halten – im Idealfall jeden Tag. Das heißt nicht, dass du dich jeden Tag ein, zwei Stunden hinsetzen musst, um Grammatik und Vokabeln zu büffeln. Das macht auf Dauer wenig Spaß. Und um Spaß soll es ja gehen. Vokabeln und Grammatik büffeln gehört zwar dazu, ist aber nicht alles. Alle Sprachen, die ich aus reinem Pflichtgefühl in der Schule und an der Uni gelernt habe, sind nämlich verschüttet worden. Die Sprache in den Alltag zu integrieren, nimmt einem das Hinsetzen und Büffeln nicht ab – aber es hält über lange Zeit die Motivation aufrecht. Und lässt die Sprache immer weniger fremd erscheinen, sondern immer mehr als eine willkommene Vertraute, die man nicht mehr missen möchte. Aber wie klappt das am besten mit der Präsenz im Alltag? Für mich hat sich Folgendes bewährt:

Was wirklich immer geht, und auch für „Lernmuffel“ die Lernmethode schlechthin ist, ist das Schauen von Filmen und Serien in der jeweiligen Fremdsprache. Dabei geht der Spaß ganz bestimmt nie verloren. Für den Anfang bietet es sich an, mit Untertiteln auf Deutsch oder Englisch zu schauen, später mit den fremdsprachigen Untertiteln und ganz später auch mal ohne alles und nur im O-Ton. Je nach Motivationslevel halte ich das Video hin und wieder an und schreibe mir neue Wörter auf – oder ich lasse den Film laufen und höre mich in die Sprache ein. Auch so etwas simples wie Gewöhnung an den Klang einer Sprache, kann die Motivation, irgendwann alles verstehen können zu wollen, enorm befeuern. Selbiges gilt für Musik. Suche dir Musik in der Sprache, die du lernst, und lass dich in ihren Bann ziehen. Übersetzungen der Songtexte nachzulesen, kann ganz schön erhellend sein – oder ernüchternd. In jedem Fall bietet sich die Chance, ganz nebenbei etwas zu lernen.

Originalsprachige Romane sind für Lernende oft zu kompliziert, sprachlich vertrackt und führen schnell zu Frustration. Original-Texte können einen schon mal, je nach (Fach-)Themengebiet, an den eigenen, mühsam erarbeiteten, fremdsprachlichen Fähigkeiten zweifeln lassen. Leichter klappt es aber, wenn das Buch vorher auf Deutsch gelesen wurde. Ich lasse gern ein wenig Zeit vergehen: Nachdem ich die deutsche Variante gelesen habe, warte ich eine Weile bis ich den fremdsprachigen (Original-)Text lese. Dadurch kann ich mich gut an den Inhalt erinnern, aber nicht mehr wortwörtlich. Das hilft enorm, um nicht in unbekanntem Vokabular zu ertrinken. Der rote Faden der Handlung ist bekannt, wodurch sich neue Wörter leichter erschließen lassen. Außerdem kannst du dich super fortgeschritten fühlen, wenn du es geschafft hat, das erste fremdsprachige Buch zu lesen – egal wie lange du dafür gebraucht hat. Und beim nächsten und übernächsten Buch wird es immer leichter gehen.

Wenn es mit Büchern in leichter Sprache klappt, kann ich empfehlen, ab und zu Online-Nachrichten in der Lernsprache zu lesen, Kurz-Videos über aktuelles Geschehen zu schauen und auch mal in Podcasts reinzuhören. Im Idealfall lernst du dabei nicht nur ein paar neue Vokabeln, sondern erfährst viel Spannendes aus dem Land der jeweilige Sprache und bekommst ein besseres Verständnis für Kultur, Politik und Zeitgeschehen – aus der Innenperspektive des Sprachraumes.

Im Alltag ist an vielen Stellen eins wichtig: Geduld. Das bezieht sich nicht nur auf das Lernen einer Sprache, bei der der Fortschritt nicht von heute auf morgen spürbar ist, sondern sich erst nach Monaten und Jahren bemerkbar macht. Immer wieder muss man auch warten können.

Wartezeiten lassen sich sehr gut (esels-)überbrücken, indem du stets ein kleines Vokabelheft zur Hand hast – oder eine Sprach-App auf dem Smartphone. Passt überall rein und eignet sich für alle Wartezeiten, die schnell zu wertvoller Lernzeit werden, welche kleine, aber wichtige Fenster zum Wiederholen und Festigen öffnen. Ich bin ein überzeugter Fan vom Lernen durch Aufschreiben. Wenn ich italienische Bücher lese, lege ich nach jedem Kapitel eine Pause ein und schlage ein paar unbekannte Wörter nach.


Was mir außerdem hilft, ist die Imagination meines Ziels. Stell dir vor, du kannst deine Wunschsprache schon. Bade ein bisschen in dem Gefühl, wie es ist, sich ganz natürlich in einer anderen Sprache ausdrücken zu können, an Orte zu reisen, an denen du sonst nur Bahnhof verstehen würdest, Menschen kennenzulernen, die du nie kennenlernen würdest, wenn du eine bestimmte Sprache nicht verstehen würdest. Echtes Verständnis für die Denk- und Lebensweisen anderer Menschen, egal in welcher Weltregion, funktioniert hauptsächlich über Sprache. Sprache formt unser Bewusstsein, unsere Identität. Fremdsprachen eröffnen dir völlig neue Horizonte und Möglichkeiten, sie geben dir das Gefühl, „mehr“ zu werden als du vorher warst. Aber belasse es nicht nur bei der Träumerei. 🙂

Und schließlich: Such dir eine Person aus, die Muttersprachler/in ist, und der du gern den lieben langen Tag zuhören könntest. Diese Person kann als sprachliches Vorbild fungieren. Schauspieler/innen, Musiker/innen, Schriftsteller/innen, Journalist/innen etc. eignen sich dafür super. Überlege dir, welche Fragen du ihnen stellen möchtest, für den Fall, dass du sie eines Tages persönlich triffst 😉 – und wie toll du dich fühlen wirst, wenn du endlich verstehen kannst, wovon sie sprechen. Such dir also am besten jemanden aus, von dem noch nicht alle Texte, Interviews und jeglicher Content übersetzt worden sind. Das spornt mehr an. Sprachen mit bestimmten Personen, die Bewundernswertes leisten, zu assoziieren und den Wunsch zu pflegen, sich eines Tages problemlos mit ihnen unterhalten zu können (wenn auch nur theoretisch), ist meine persönliche Geheim-Strategie.

Aufgrund all dieser kleinen Alltagsstrategien hat es sich für mich bewährt, Sprachen zu lernen, in denen viele Medien verfügbar sind. Egal ob Koreanisch, Spanisch, Japanisch, Italienisch, Chinesisch, Französisch, Russisch usw. – in all diesen Sprachen gibt es unglaublich viele Bücher, Filme und Serien, Musik, die überall verfügbar ist. Sie in den Alltag zu integrieren, wird damit zum Kinderspiel.

Was sind deine Erfahrungen mit dem Sprachenlernen? Hast du Strategien, die über Sprachkurse und gängige Lernmethoden hinaus, deine Begeisterung lebendig halten? Wonach entscheidest du dich für eine Sprache, die du lernen willst? Hast du diese Gründe beibehalten oder hat sich deine Einstellung zur gelernten Sprache verändert? Und: Wie lernt man effektiv eine Sprache, in der nur wenige Medien verfügbar sind? Fragen über Fragen. Wer mag, kann gern einen Kommentar hinterlassen.

Podcasts: Erzählungen, die uns überallhin begleiten

Es ist noch nicht lange her, da wusste ich mit Podcasts nicht viel anzufangen. Mittlerweile sind sie ein wiederkehrender, gern gehörter Teil meines Alltags. Egal ob beim Spazierengehen, Aufräumen oder in der Bahn: Podcasts sind jederzeit on demand abrufbar und avancieren damit zu einer neuen, moderneren Form des Radiohörens. Mein Einstieg waren die Nachrichtenpodcasts von Zeit Online, die mich über das alltägliche Geschehen in Politik und Gesellschaft informieren. Doch prinzipiell jeder/r, der oder die sich dazu berufen fühlt, kann mit nicht all zu großem Aufwand ein solches Audiomedium produzieren, egal ob Journalist/innen, die es zur Erzählung ihrer Recherchen nutzen, Personen des öffentlichen Lebens, die ihre Stories und Lebensweisheiten mit ihrer Hörerschaft teilen wollen, oder Max M. von nebenan, der dir etwas über Selbstfindung und beruflichen Erfolg ins Ohr quatscht. Der große Vorteil ist die persönliche Verbindung, die Hörer/innen und Gehörte zusammenbringt und eine imaginäre Nähe herstellt. Die Podcast-Landschaft hat sich in den letzten Jahren ungemein diversifiziert und ein riesiges Spektrum an Themen hervorgebracht. Das Praktische: Ich kann sie überallhin auf meinem Smartphone mitnehmen. Also ab damit in die Hosentasche und drauflos gehört! Um meine wachsende Begeisterung für die Podcast-Welt zu teilen, stelle ich nach und nach einige Produktionen vor, die ich besonders empfehlenswert finde.

Los geht es mit…



The Other Latif“
vom New Yorker Podcast-Radio „Radiolab“ (Sprache: Englisch)

Stell dir vor, du bist Journalist bei einem Podcast-Radio. Im Rahmen deiner Recherchen, stolperst du eines Tages aus reinem Zufall über deinen eigenen Namen, den du bisher für selten und einzigartig gehalten hast. Wer ist dieser Mensch, der den gleichen Namen trägt wie du? Das fragt sich Latif Nasser, als er seinen Namensvetter entdeckt – und feststellt, dass dieser als Häftling im berüchtigten US-Militärgefängnis in Guantanamo Bay einsitzt. Diesem wird nichts geringeres vorgeworfen als die Mitgliedschaft im Terrornetzwerk Al-Qaida sowie die Beteiligung an den 9/11-Anschlägen. Schockiert über seine Entdeckung begibt sich Latif Nasser, der Journalist, auf eine Recherche-Odyssee, um herauszufinden, wer sein Namensvetter wirklich ist: Was ist dran an den Vorwürfen, mit denen die US-Administration den Marokkaner Abdul Latif Nasser ohne gerichtlichen Prozess über Jahre in Guantanamo festhält?

In einer intensiven Recherche wird eine Lebensgeschichte durchleuchtet, die eingebettet ist in den US-amerikanischen „Krieg gegen den Terror“, in politische wie bürokratische Verfehlungen. Dabei wird unser westlich-demokratisches Verständnis von Recht und Gerechtigkeit gehörig auf den Kopf gestellt. Packend erzählt von Latif Nasser, der in sechs Episoden den kompletten Prozess seiner Recherche dokumentiert und in unzähligen Interviews, die ihn um die halbe Welt führen, Wegbegleiter/innen und Angehörige zu Wort kommen lässt. Trotz wiederholter Bemühungen fehlt der wichtigste O-Ton: der von Abdul Latif Nasser alias Häftling Nr. 244 selbst, der seit 2002 bis heute in Guantanamo ausharrt.

Empfehlenswert für alle, die spannenden Investigativjournalismus lieben, sich vom Enthusiasmus des Erzählers mitreißen lassen wollen, der sich dieser Geschichte annimmt, sich verantwortlich fühlt und keinen Aufwand scheut, um sich, trotz unüberwindlich scheinender Hürden, ein tiefstmögliches Verständnis zu erarbeiten. Enthüllungen, die zugleich sprachlos machen und diskutiert werden wollen. Den kompletten Podcast gibt‘s hier: www.wnycstudios.org/podcasts/other-latif

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