oder: Warum Pflanzen die besten Mitbewohner sind

Ich teile mein Einzimmer-Appartment mit 27 Mitbewohnern. Das ist praktischer als es klingt, denn: Sie verhalten sich geräuschlos, sorgen für eine gemütliche Atmosphäre und saubere Raumluft. Üblicherweise hören sie auf die Namen Monstera, Gynura, Maranta, Aloe Vera, Begonia Maculata und Co. Adoptiert wurden sie zum großen Teil um die Ecke, also in den nächstgelegenen Baumärkten. Zimmerpflanzen liegen voll im Trend. So richtig realisiert habe ich das erst, als meine bescheidenen Quadratmeter bereits von einer beachtlichen Grün-Truppe bevölkert wurde. Aber wie kam es dazu eigentlich? Wie haben es diese stillen Mitbewohner geschafft, zu einem Trend unter jungen Großstädtern zu werden? Und warum sind Pflanzen die neuen Social-Media-Stars, Hashtag #urbanjungle?

Was in den Köpfen und Blumentöpfen anderer Leute passiert, ist deren Sache. Betrachten wir das Ganze mal aus meiner subjektiven Sicht. Social Media hatte definitiv einen prägenden Einfluss auf meine Mitbewohner-Wahl, wenn auch nicht den entscheidenden. Vor ein paar Jahren sah ich ein YouTube-Video, in dem eine junge New Yorkerin ihre Wohnung vorstellte, die über und über mit Pflanzen bestückt war. Sie hatte das, was man sich wohl am ehesten unter einem echten „Urban Jungle“ vorstellt: eigentlich zu wenig Platz, um so viele Pflanzen zu beherbergen, aber irgendwie ging es dann doch. Und mit Pflanzen kann man es eigentlich nicht übertreiben, oder? Davon war ich nach dem Video jedenfalls überzeugt.

Wenig Platz effizient zu nutzen und gleichzeitig ästhetisch ansprechend zu gestalten, ist eine Kunst, die mich schon lange fasziniert. In den Innenstädten ist Wohnraum teuer, deswegen haben die meisten nicht zu viel davon. Trotzdem wollen wir das Gefühl haben, nicht eingeengt zu leben, sondern eine frische, lebendige Atmosphäre zu kreieren – und vielleicht auch ein eigenes Stück Natur zu hegen und zu pflegen. Als geborenes Schrebergartenkind bin ich froh, dass ich mir ein bisschen Natur in die eigenen vier Wände holen kann, allerdings ohne den Aufwand eines tatsächlichen Schrebergartens. Und ist es außerdem nicht praktisch, drinnen ein Stück draußen zu simulieren? Ich verbringe relativ viel Zeit zu Hause und lege deswegen großen Wert auf eine erholsame Umgebung. Nichts eignet sich dafür besser als Pflanzen. Manch einer mag darauf auch erst durch Lockdown und Ausgangssperren gestoßen sein.

Doch in meinem Fall gibt es noch einen sehr persönlichen Grund, der verantwortlich ist für mein Pflanzenrudel. Der geht so: Eigentlich hätte ich gern einen tierischen Mitbewohner gehabt, aber leider, leider, leider ist das bei meinen multiplen Allergien gar keine gute Idee. Und ich habe ja auch nur sehr wenig Platz, zu wenig für fast alle in Frage gekommenen Haustiere. Also müssen Pflanzen herhalten. Ob sich meine wie ein billiger Ersatz fühlen? Ich glaube nicht, im Gegenteil. Ich habe ihnen jede mögliche Ecke eingerichtet und alle Sonnen-, Halbschatten und Schattenplätze gewährt, die sich eignen. Langsam wird es knapp. Aber wie viele Pflanzen wirklich in ein Zimmer passen, ist reine Einstellungssache (übrigens genau wie bei Büchern, die andere Art von geräuschlosen Mitbewohnern).

Fazit: Pflanzen sind tolle Mitbewohner. Sie meckern nicht, sie halten still, sie müssen nicht Pipi. Sie sehen gut aus, reinigen die Luft, beruhigen meine Nerven und machen meinen Raum zu einer kleinen, feinen Oase. Na gut, manch eine hat auch mal ihre Tage und will partout nicht verraten, warum sie trotz meiner größten Bemühungen den Kopf hängen lässt. Das richtige Maß an Wasser und Dünger zu finden, ist nicht immer selbsterklärend. Oder möglicherweise ist sie dann doch neidisch auf meine nicht vorhandene Katze. Wer weiß. Aber vielleicht kommt ja irgendwann eine ganz neue Züchtung auf den Markt: die Pflanze, die antwortet.