Vor ein paar Tagen ist Realität geworden, was vor einem Jahr noch ein Traum und vor einigen Jahren undenkbar war: Ich habe zum ersten Mal meine Kunst auf einer Convention gezeigt. Wochenlang habe ich Motive druckreif vorbereitet, Karten und Sticker bestellt, Material gesammelt, um meinen ersten kleinen Stand herzurichten. Etwas, das man lange Zeit in seinem stillen Kämmerlein betreibt, zum ersten Mal der Öffentlichkeit zu präsentieren, kann ganz schön nervenaufreibend sein. Doch es hat sich gelohnt!
Rückblickend hätte es für mich keinen besseren ersten Kunstmarkt geben können als die Leipziger Art Days. Zwei Jahre lang war ich begeisterte Besucherin, immer mit dem Hintergedanken: “Da wäre ich auch gern mal dabei!” Dieses Jahr war es endlich soweit. Nachdem ich vor einiger Zeit beschlossen hatte, mich intensiver meinem kreativen Schaffen zu widmen, war es der nächste logische Schritt, mich auch offline zu zeigen, zumindest in meiner eigenen Stadt, in einem Rahmen, den ich als Besucherin schon gut kannte und der mir von der Größe und der Location her zusagte. Sich eine Online-Präsenz aufzubauen, ist die eine Seite. Der persönliche Kontakt und die Teilnahme am lokalen (Kunst-)Geschehen ist für mich eine neue, wichtige Erfahrung, die mir mehr gegeben hat, als ich mir im Vorfeld ausmalen konnte.
Es war so spannend und wundervoll den Moment mitzuerleben, wenn jemand vor meinen Werken stand und sich dafür entschied, eine Karte oder einen Sticker zu erwerben. Auch alle positiven Kommentare und mitgenommenen Visitenkarten haben mich riesig gefreut. Dass ich alle beiden Tage einigermaßen entspannt an meinem Stand verbringen konnte, ist hauptsächlich der umfassenden Unterstützung zu verdanken, die ich von Freunden und Familie bekommen habe. Für uns alle war war es ein besonderes Erlebnis, einen Kunstmarkt mal von der anderen Seite als Aussteller zu erleben. Im Übrigen bin ich unheimlich froh darüber, dass ich die Art Days als ersten Markt auserkoren habe, auf dem ich mich präsentiert habe. Nicht nur bietet die Moritzbastei eine wunderschöne Kulisse, wo es sich gut viele Stunden aushalten lässt, auch das Publikum war durchweg wohlgesinnt, entspannt, wertschätzend und unkompliziert, einfach so, wie man es sich wünscht. Auf der tollen Erfahrung bei den Art Days möchte ich auf jeden Fall aufbauen. Momentan bleibt nur zu sagen: Ein großes Danke und bis zum nächsten Mal!
Leipzig ist nicht Berlin, auch wenn der Vergleich immer wieder herangezogen wird, damit Leipzig noch hipper erscheint, als es eh schon ist. In Sachen Street Art habe ich jedenfalls keine Wunderwerke erwartet. Zu recht?
Kürzlich habe ich mich mit offenen Augen auf ein paar Streifzüge begeben und bewusst nach allen Ausdrucksformen der Graffiti Ausschau gehalten. Dabei habe ich keinen Unterschied zwischen dekorativen Auftragswerken und aufwendig bis schnell hingesprühten Tags gemacht, ob legal oder illegal, sondern alles, was ich finden konnte, auf mich wirken lassen.
Eins vorab: Die Leipziger Graffiti-Szene ist aktiv und allseits präsent. Natürlich gibt es nicht die Szene, denn dafür sind die Werke viel zu divers — divers genug, um die uralte Frage aufzuwerfen: Was ist Kunst? Und: Was will und soll Kunst überhaupt?
Prägnante, sehenswerte Wandmalereien und Paste-ups (Plakate und Drucke, die an Fassaden angeklebt werden) kondensieren sich in ausgewählten Stadtteilen, allen voran im Leipziger Westen. In Plagwitz lässt sich eine Art Best Of Street Art bewundern und die kreativen Ausdrucksformen scheinen grenzenlos. Kunst ist hier von Haus aus ins Stadtbild integriert.
Die zahlreichen Galerien und Ateliers auf dem Gelände der ehemaligen Baumwollspinnerei und das nur wenige Schritte entfernte Kunstkraftwerk, zementieren Plagwitz‘ Status als kunstaffinstes Leipziger Stadtviertel. Allein auf dem Gelände dieser beiden Kult(ur)stätten haben sich zahlreiche Street Artists verewigt. In keinem anderen Stadtviertel ist Street Art derart experimentell und trägt zur Identität des Stadtbildes bei.
Viele Auftragswerke, die im Leipziger Stadtgebiet verteilt sind, tragen die Signatur des in Connewitz ansässigen Graffitiverein e. V., der zahlreiche Fassaden von Wohngebäuden, Kitas und Schulen dekoriert hat. Die Malereien sind schön anzusehen und werten die Gebäude meistens stark auf. Die Präsenz des Graffitivereins zeigt, dass in der Stadt Akzeptanz für Straßenkunst aufgebracht wird. Mir als Betrachterin sagt die Signatur des Graffitivereins: Öffentliche Malerei wird so wertgeschätzt, dass sich Auftraggeber finden, die bereit sind, dafür Geld zu bezahlen. Straßenkunst ist so schick und in, dass auch öffentliche Einrichtungen ihr Image damit aufwerten möchten.
Dagegen steht die Präsenz vieler anderer Sprühambitionen. Ist das Street Art oder kann das weg?, frage auch ich mich oft beim Anblick der unzähligen geschmierten Wörter, die die Hauswände der Stadt überziehen. Was häufig nach sinnlosen Verunstaltungen und ungebetenen ersten Graffiti-Übungen aussieht, wird in aller Regel illegal angebracht und wirft in meinen Augen doch immer wieder die eine drängende Frage auf: Wem gehört eigentlich die Stadt?
Hinter so manchen Kürzeln verbergen sich rivalisierende Graffiti-Kollektive, die um die visuelle Vorherrschaft im Stadtviertel buhlen. Einige dieser sogenannten Tags lassen sich im ganzen Leipziger Stadtgebiet beobachten. Da wäre allen voran SNOW, ein Tag, der für „Süden, Norden, Osten, Westen“ steht, und sich seit den 90er Jahren erfolgreich an nahezu jeder Straßenecke festgesetzt hat. Auch andere Graffiti-Crews haben sich in der Messestadt verewigt. Ins Auge stechen mir immer wieder TACO, UKI, RCS, ORG und andere Verdächtige. Die Menge an Crew- und Einzel-Tags kennt keine Grenzen. Dahinter verbirgt sich die heimliche Welt der Sprayer*innen, deren Kürzel als stumme Zeugen nach nächtlichen Aktionen das Tageslicht erblicken und Nicht-Eingeweihten ein Rätsel aus unverständlichen Buchstabenkombinationen bleiben. Ist das nun Sachbeschädigung oder, wie Mitstreiter*innen des SNOW-Kollektivs in einem Interview behaupteten, bloße Sachveränderung? Und wenn ja, wozu?
Neben allerhand Tags gibt es noch die „sprechenden“ Hauswände, die von Sprüchen bevölkert werden, die wenig dekorativen Wert haben, sondern pinnwandartig mit mir als Fußwegpassantin in Kontakt treten. Manche haben etwas zu sagen, andere wollen nur smalltalken. „Why is it so dark in here?“, fragt mich eine Reudnitzer Hauswand. Ob sie die Besprühung verdient hat, ist eine andere Frage. Ironische und vor allem unbequeme Fragen sind bekanntermaßen keine Auftragswerke.
Meine bisherigen Streifzüge haben viel Licht ins Dunkel gebracht und noch mehr Fragen aufgeworfen. Die Welt der Street Art ist ein eigenes Universum mit eigenem Vokabular und Insider-Wissen, das sich nur bedingt im Netz recherchieren lässt. Doch ich werde weiter mit wachem Blick nach gesprühten Botschaften und versteckten Kunstwerken Ausschau halten. In diesem Sinne: Bis zum nächsten Streifzug!
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